2010-06 Kulturwortschatz Europa: Kassieren und kassieren
Wenn die erste Instanz gegen einen Angeklagten eine Geldstrafe verhängt und das Urteil rechtskräftig wird, hat die Gerichtskasse etwas zu kassieren. Doch wenn der Verurteilte dagegen Berufung einlegt und die zweite Instanz das Urteil der ersten kassiert, hat der Kassierer doch noch das Nachsehen ...
Wenn die erste Instanz gegen einen Angeklagten eine Geldstrafe verhängt und das Urteil rechtskräftig wird, hat die Gerichtskasse etwas zu kassieren. Doch wenn der Verurteilte dagegen Berufung einlegt und die zweite Instanz das Urteil der ersten kassiert, hat der Kassierer doch noch das Nachsehen. Aber nehmen wir uns ein „Kassieren“ nach dem anderen vor: Hinter jenem ersten, bei dem der Euro in der Kasse klingelt, steht zunächst natürlich ebendiese „Kasse“, sodann im Italienischen, der Muttersprache der Finanzen und Bilanzen, die gleichbedeutende cassa und schließlich im Lateinischen, der Großmuttersprache aller dieser Wörter, ein eher seltenes Substantiv capsa für einen kleineren oder größeren Behälter und das Allerweltsverb capere mit der allgemeinen Bedeutung „nehmen“. Da haben wir des Pudels Kern: Unserer „Kasse“ ist von Hause aus das „Nehmen“ auf den blechernen oder stählernen Leib geschrieben, und das ist für eine Kasse ja kein schlechtes Omen.
Weitere faszinierende Wortgeschichten finden Sie in folgenden Büchern:
Bartels, Klaus, Wie die Murmeltiere murmeln lernten. 77 Wortgeschichten, Philipp von Zabern, Mainz 2001
Bartels, Klaus, Trüffelschweine im Kartoffelacker. 77 Wortgeschichten, Philipp von Zabern, Mainz 2003
Bartels, Klaus, Wie Berenike auf die Vernissage kam. 77 Wortgeschichten, 3., durchgesehene Auflage, Philipp von Zabern, Mainz 2004
Bartels, Klaus, Die Sau im Porzellanladen. 77 neue Wortgeschichten, Mainz 2008.